Kölner Stadtanzeiger - WIRTSCHAFT (Nr.31)

Zügige Scheidung nicht nur für wohlhabende Promis

Experte: Eheleute können in einer Wohnung getrennt leben

Die schnelle Scheidung von Boris und Barbara Becker hat manche Juristen und vor allem die Öffentlichkeit überrascht. Die zuständige Staatsanwaltschaft in München hat die Akte Becker geschlossen: es ging alles mit rechten Dingen zu, so die Entscheidung. Wie aber kann die gesetzlich vorgeschriebene Klippe des Trennungsjahres umschifft werden, und zwar rechtlich einwandfrei?

Hier gibt es durchaus Möglichkeiten, wie Siegfried Willutzki, Professor für Familienrecht an der Technischen Universität Chemnitz und Präsident des Deutschen Familiengerichtstags erläutert. Zum Beispiel sei es möglich, dass Eheleute bereits vor der Stellung des Scheidungsantrages das Trennungsjahr durchlebt haben, sagt Professor Willutzki. ″Das Gesetz lässt auch eine Trennung in einer ehelichen Wohnung ausdrücklich zu″, so der langjährige Familienrichter weiter. Wichtig ist dabei, dass derjenige, der sich trennen wolle, dies dem Ehepartner mitteilt. Zur Trennung gehört aber nach der Rechtsprechung auch, dass keine gemeinsame Versorgung stattfindet. ″Zusammen kochen oder ein Bett teilen oder die schmutzige Wäsche des anderen noch mitwaschen, geht dann nicht mehr″, stellt Professor Willutzki klar.

Sicher - es sei ungewöhnlich kurz, wenn bereits einen Monat nach der Einreichung des Scheidungsantrages die Scheidung ausgesprochen wird, räumt der Professor ein. Doch wenn die Parteien es schaffen - so wie offenbar die Beckers - sich notariell beurkundet schnell über alle Scheidungsfolgen zu einigen, kann auch rasch geschieden werden. Willutzki: ″Nicht zuletzt kann eine lange Wartezeit dazu führen, dass die Eheleute wieder zu streiten beginnen. Deswegen habe ich in solchen Fällen immer rasch terminiert″.

Der Grund dafür, dass vermögendes Eheleute häufig schnell geschieden werden, liegt für Peter Middelmann, Rechtsanwalt aus Pulheim, auf der Hand: ″Sie schließen auch öfter Eheverträge und treffen Vereinbarungen für den Scheidungsfall.″ Das könne das Scheidungsverfahren unter Umständen erheblich vereinfachen und verkürzen. So könnte etwa der Versorgungsausgleich ausgeschlossen werden, sagt Middelmann. Passiert das nicht, so verlängert sich die Scheidungsfrist um mindestens zwei Monate oder mehr, weil hier auf die Auskunft des Rentenversicherungsträgers gewartet werden muss. Middelmann empfiehlt auch Vereinbarungen über den Zugewinnausgleich und zur Vermögensauseinandersetzung, ″insbesondere bei größeren Vermögen und Vermögenszuwächsen während der Ehe″.

Hausrat vorab teilen

Darüber hinaus seien Vereinbarungen zur Ehewohnung, der Verteilung des Hausrats, und wenn es Kinder gibt, zum Sorge- und Umgangsrecht sinnvoll, um im Ernstfall einen zeit- und kraftraubenden Ehekrieg zu vermeiden.

Damit die Scheidung zügig über die Bühne gebracht werden kann, müssen die Mandanten ihren Anwalt rechtzeitig vor dem anstehenden Scheidungsantrag informieren, sagt Middelmann. Er wird dann darauf achten, dass alle wichtigen Unterlagen vorliegen. Zum Beispiel kann der Anwalt in bestimmten Fällen, in denen Eile geboten ist, etwa wenn die Ehefrau bereits vom Nachfolger des Gatten schwanger ist, direkt beim Richter darauf hinwirken, möglichst kurzfristig zu terminieren. Auch wenn ein Partner ernsthaft krank ist und verhindern will, dass Ehemann oder -frau noch erben, kann er schnell geschieden werden. Erst kürzlich hat das Pfälzische Oberlandesgericht in Zweibrücken entschieden, dass ein Ehepartner während eines laufenden Scheidungsverfahren nicht zwangsläufig von der Erbschaft ausgeschlossen ist (Az.: 3 W 103/00). Familienrichter können darüber hinaus nach Auskunft von Professor Willutzki bei ″besonderen Härtefällen″ ganz auf das Trennungsjahr verzichten, zum Beispiel wenn ein Ehegatte gegenüber dem Partner oder den gemeinsamen Kindern Gewalt ausübt.

Natürlich wird es immer wieder Fälle geben, in denen der Richter das angegebene Trennungsdatum nicht glaubt und das Paar ein Jahr warten lässt, damit es sich diesen einschneidenen Entschluss noch einmal überlegen kann. Nicht immer zum Nachteil der Betroffenen - denn manchmal wendet sich das Blatt und es kommt zur Versöhnung. Nicht zuletzt dafür hat der Gesetzgeber die Trennungszeit ja auch eingeführt. (KB)

Erschienen im Kölner Stadtanzeiger - Nr. 31 - Dienstag, 6. Februar 2001